Die Schulleiterin hatte mir die Aufgabe übertragen, mich um die Feststellungsprüfungen zu kümmern. Das ist eine Möglichkeit, mit der Schüler*innen, die erst zur 7. Klasse nach Deutschland gekommen sind, eine Prüfung in ihrer Muttersprache abzulegen, als Ersatz für die erste Fremdsprache in der Schule. In meiner vorherigen Schule hatte ich nichts damit zu tun. Jetzt musste ich mich ganz neu in das Thema einarbeiten. Die Stellvertretende Schulleiterin, die das bisher gemacht hatte, war bereit, mir dabei zu helfen. Wir vereinbarten einen Termin und setzten uns zusammen an den PC in ihrem Büro. Wir füllten das Online-Formular für die Anmeldung aus. Die 2. Stellvertretende Schulleiterin, die auch in dem Büro arbeitete, kam herein und meinte zu mir: Sie solle mir von der Schulleiterin ausrichten, diese sei „total angefasst“. Sie hätte diese Aufgabe mir übertragen. Ich hätte mich alleine um die Feststellungsprüfungen zu kümmern. Ich sah sie verwundert an. Die Aufgabe würde doch erledigt werden, warum nur regte die Schulleiterin sich so auf? Wir fuhren mit den Eingaben fort. Auf dem Weg zum Auto bemerkte ich eine große Unruhe in mir und den Gedanken: ‚Ich habe etwas falsch gemacht.‘ Etwas in mir geriet ins Wanken. Ich wurde unsicher und bekam Angst. Ich versuchte mich zu beruhigen: ‚Es kann dir nichts passieren. Sie kann dich nicht kündigen, sie kann dir gerade mal ihr Missfallen ausdrücken.‘ So ging es hin und her … Angst, mich beruhigen, Angst, mich beruhigen. Besonders am nächsten Tag in der Schule wappnete ich mich für ein unerfreuliches Gespräch mit der Schulleiterin und überlegte mir verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. ‚Angst, mich beruhigen‘ ging weiter. Am zweiten Tag tauchte in mir eine Erinnerung auf. Als Kind gab es ein Ereignis, bei dem ich beschuldigt wurde, etwas verursacht zu haben, mit dem ich aber überhaupt nichts zu tun hatte. Ich war fassungslos, warum beschuldigte man mich? Es war doch offensichtlich, dass ich nicht schuld daran war. Die Beschimpfungen kamen für mich aus heiterem Himmel, völlig unvorbereitet. Es wurde später nie wieder darüber gesprochen und es wurde auch nie aufgeklärt. Nun fühlte mich wieder zu Unrecht beschuldigt. Ich war froh, den Zusammenhang herstellen zu können zwischen dem Ereignis als Kind und meiner heutigen Angst, etwas falsch zu machen, ohne zu wissen, was genau.